05.09.2024
Zehntklässler besuchen die Bundeshauptstadt
Nicht mit Deutsch oder Englisch, sondern mit einer Fahrt in einem Reisebus begann die zweite Woche in diesem Schuljahr für den Jahrgang 10 des Realschul- und Gymnasialzweigs. Gemeinsam mit Frau Rolfes, Frau Tadauskaite, Herrn Lier und Herrn Wobbeler machten sich die 44 Schülerinnen und Schüler auf den Weg in die geschichtsträchtige Großstadt.
Dass nicht nur das Ziel, sondern auch der Weg eine besondere historische Bedeutung hatte, erfuhren die Jugendlichen an der Rastanlage Marienborn-Helmstedt. Herr Wobbeler erinnerte hier an seine erste Klassenfahrt nach Berlin – als Schüler. „Damals konnten wir nicht lachend aus dem Bus aussteigen, Getränke und Süßkram kaufen oder eine saubere Toilette benutzen. Zu der Zeit hieß es „Klappe halten“, wenn die Grenzpolizisten die Ausweispapiere aller Businsassen peinlich genau kontrollierten und scheinbar keine Schikanemöglichkeit ausließen.“ In der Gedenkstätte informierten sich große Teile der Gruppe über die Kontrollen an der innerdeutschen Grenze und staunten nicht schlecht, als sie Bilder vom Ideenreichtum der Staatsflüchtigen sahen, die sich zum Teil in KFZ-Karosserien haben einschweißen lassen.
In Berlin angekommen wurde zunächst die Umgebung um das Hotel inspiziert, ehe die Dinklager einen gemeinsamen kurzen Spaziergang zur Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche unternahmen. Die freie Zeit wurde für erste Shoppingtouren und kulinarische Ausflüge rund um den Globus genutzt, ehe viele von uns den Sonnenuntergang und das Erstrahlen der Stadtsilhouette von der Dachterrasse des Hotels bestaunten.
Am nächsten Tag ging es früh los, da wir einen Termin im Paul-Löbe-Haus mit der Bundestagsabgeordneten Silvia Breher hatten. Wie am Flughafen kontrolliert, ergab sich die Möglichkeit, auf eine angenehm persönliche Weise mit Frau Breher zu unterhalten. Sie warb für Engagement und Ehrenamt, da dies wichtige Säulen einer funktionierenden Demokratie seien. Ferner verwies sie darauf, man solle nie vergessen, dass hinter jedem Politiker – egal welcher Partei – immer ein Mensch steht, der zwar Kritik aushalten kann und muss, jedoch Anfeindungen und Gewalt nicht gewappnet sein kann. Ein Gespräch, das vielen Schülerinnen und Schülern sicher im Gedächtnis bleiben wird. Die anschließende einstündige Vorstellung des Plenarsaales und der Hausgeschichte verging wie im Flug, sodass die Wartezeit zur Auffahrt in die Glaskuppel schon als angenehme Ruhepause empfunden werden konnte. Das Abendprogramm barg ein weiteres Highlight, nämlich eine Stadtrundfahrt in der Abenddämmerung. Unser Tourguide Bernd Blume ließ den Busfahrer verschiedene Stationen anfahren und garnierte die zweistündige Fahrt mit vielerlei Auskünften, die teils ernst, teils humorvoll, aber stets glaubwürdig und altersentsprechend verpackt waren. Zwei Stationen standen in besonderem Fokus. Am 63. Jahrestag des Mauerbaus wurde in der Zimmerstraße der Ort besucht, an dem am 17.08.1962 mit Peter Fechter der erste DDR-Flüchtling durch Schusswaffengebrauch ums Leben kam. Die Mauergedenkstätte an der Bernauer Straße gewährte einen kurzen Blick auf den Aufbau des sogenannten Todesstreifens. Hier hatten sich ab dem 14. August 1961 Menschen mit einfachsten Mitteln aus den oberen Geschossen ihrer in Ost-Berlin stehenden Häuser auf den auf Westgebiet verlaufenden Bürgersteig abgeseilt. Hundemüde von den Eindrücken, Erlebnissen und der Hitze fielen (fast) alle kurz vor Mitternacht ins Bett.
Mit einem geschichtlichen Schwerpunkt ging es am nächsten Tag weiter. Der Besuch der Gedenkstätte Sachsenhausen auf dem Gelände des ehemaligen Arbeits- und Konzentrationslagers bot einen schaurigen Eindruck von den Taten des Naziregimes vor den Toren der Hauptstadt. In jedem Satz, mit dem die Gästeführer das Leben im Lager beschrieben, wurde zwangsläufig auch das Sterben an diesem Ort thematisiert. Der Massenmord an Menschen, die wegen ihrer Herkunft, ihrer Religion, Sexualität, Herkunft, ihres Aussehens oder Engagements inhaftiert waren, sorgte für eine getrübte Stimmung in der Reisegruppe und ließ auch manche Träne fließen. Dennoch waren sich alle einig, dass der Besuch einer solchen Gedenkstätte wichtig ist, um sich der deutschen Geschichte bewusster zu werden und als Mahnung an einen selbst, sich nicht von Propaganda, heute würde man vielleicht Fake News sagen, zu solchen Taten verleiten zu lassen.
Die Beelitz-Heilstätten wurden ab der Jahrhundertwende in einem Berliner Vorort erbaut und dienten zunächst bis zum Zweiten Weltkrieg als Erholungsheim und Hospital für Lungenkranke, die in den engen Stadtwohnungen und den Fabriken nicht genesen konnten. Zigtausende Tuberkuloseerkrankte konnten in diesem Sanatorium ihre Arbeitsfähigkeit wieder erhalten, teilweise nach mehrjährigen Aufenthalten. Ein zu dieser Zeit modernes Rehabilitationszentrum, das später als Kriegslazarett und Militärhospital diente, war donnerstags unser Reiseziel. Die interessante Führung durch die Chirurgie, an der inzwischen der Zahn der Zeit ebenso genagt hatte wie Vandalen und Plünderer, ergab einen Einblick in das fortschrittliche Gesundheitssystem vor 100 Jahren. Gleichermaßen beeindruckend war die Wanderung über den dort befindlichen Baumwipfelpfad, der zum Verweilen in großer Höhe einlud, jedoch den weniger kopffesten Jugendlichen manch mulmiges Gefühl bereitete. Nachmittags fuhr eine Gruppe ins Berliner Olympiastadion und erfuhr in einer organisierten Führung viel Wissenswertes. Die anderen ließen im Illuseum am Alexanderplatz ihre Sinne bewusst täuschen und staunten über die vielen optischen Täuschungen, die dort zu erfahren waren.
Das Fazit der Jahrgangsfahrt wurde auf der Rückfahrt am Freitag auf den Punkt gebracht: Es war eine super Fahrt, die allen Beteiligten Spaß gebracht hat. Sie war ein wirklicher Gewinn für die Jugendlichen, eine Erfahrung, die nicht in Vergessenheit geraten wird.