15.07.2020
"Die Ferien hören für mich nicht mehr auf!"
Josef Kalvelage geht nach 23 Jahren als Schulleiter der Oberschule Dinklage in den Ruhestand
Dinklage (jarö) – Zum Ende dieses Schuljahres heißt es „Zapfenstreich“ für Josef Kalvelage. Nach 23 Jahren als Schulleiter der Oberschule Dinklage mit gymnasialem Zweig geht der Pädagoge in Pension. Kalvelage ist 62 Jahre alt, in Bünne bei Dinklage geboren ist, und hat so manche Schülergeneration während seiner langjährigen Dienstzeit erlebt, wie er im Interview mit Studienrat Jan Röttgers Revue passieren lässt.
Was war das schönste Schulerlebnis in Ihren zurückliegenden Dienstjahren als Schulleiter?
Kalvelage: In 23 Jahren als Schulleiter habe ich viele schöne Erlebnisse gehabt, das ist schwer auf eines zu reduzieren. Doch vor Jahren kam eine Schülerin zu mir und wollte Verwandte in Sri Lanka besuchen. Ich seufzte, dass ich ja nicht mitkönne. Als die Ferien zu Ende waren, hatte sie mir als Souvenir einen Holzkalender in Form eines Würfels mitgebracht. „Sie konnten ja nicht mitkommen!“ Das war sehr rührend und herzlich. Dieser steht auch nach 15 Jahren noch in meinem Schrank.
Was war der größte „Aufreger“ in Ihrer Dienstzeit?
Kalvelage: Da gibt es sicherlich auch viele Dinge, wenn Menschen im Berufsleben miteinander zusammenarbeiten. Als junger Schulleiter hatte ich gerade den Stundenplan fertiggestellt, als mir die damalige Bezirksregierung mitteilte, dass eine Lehrperson mit abenteuerlichen Fächern ihren Dienst doch nicht antreten werde. Plötzlich fehlten mir 26 Stunden. Ich fiel aus allen Wolken! Da hat mir Irene Haskamp aus der Not geholfen, da sie ihren Versetzungsantrag nach Dinklage gestellt hat. Und nun hören wir Beide gemeinsam auf. Da schließt sich ein schöner Kreis.
Was bewegte Sie dazu, Lehrer / Schulleiter zu werden?
Kalvelage: Komischerweise habe ich schon als Kind davon gesprochen, Lehrer werden zu wollen, obwohl ich immer draußen dem Vater beim Vieh und Pflügen geholfen habe. Prägend war wohl mein Einsatz bei der Christlichen Arbeiterjugend (CAJ). In diesem christlichen Jugendverband habe ich in verantwortlicher Position bereits Gruppen mit Kindern und Jugendlichen mit großer Freude und Begeisterung geleitet. Während meines ersten Schulpraktikums in Bremerhaven an einer Grundschule im Rahmen meines Lehramtsstudiums an der Pädagogischen Hochschule in Vechta kam mir dann die Bestätigung: Das ist meine Berufung! Als dann bei der damaligen Realschule in Dinklage die Stelle als Schulleiter ausgeschrieben war, habe ich mich natürlich als gebürtiger Dinklager darauf beworben. Damals saßen im Kollegium noch Lehrer, die ich selber schon als Schüler erleben durfte. Das hatte auch etwas Spezielles!
Welche Veränderungen haben Sie bei den Schülergenerationen im Laufe Ihres Berufslebens beobachtet?
Kalvelage: „Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor den älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten sollte. Die jungen Leute stehen nicht mehr auf, wenn Ältere das Zimmer betreten. Sie widersprechen ihren Eltern, schwadronieren in der Gesellschaft, verschlingen bei Tisch die Süßspeisen, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer!“ – soll angeblich schon Sokrates (470 – 399 v.Chr.) gesagt haben. Der Generationenkonflikt zwischen Alt und Jung ist so alt wie die Welt. Auch wir haben rebelliert. Allerdings tun die Neuen Medien und Sozialen Netzwerke heutzutage nicht allen Schülern gut. Viele haben überhaupt keine persönlichen, wahren Kontakte mehr. Auch Eltern sind da keine Vorbilder, wenn sie mehr Zeit mit ihrem Smartphone verbringen, als sich mit ihren Kindern zu beschäftigen. Darin liegt viel Potential, aber auch Arbeit für Schule und Gesellschaft insgesamt!
Wie hat sich Schule allgemein verändert?
Kalvelage: Der Verwaltungsaufwand und die Dokumentationen haben sich stark erhöht. Neuerungen kommen sehr schnell aufeinander. Schule ist dann insgesamt sehr gehetzt. Da fehlt die notwendige Zeit, Dinge mit Muße und Ruhe anzugehen, um sie zu vertiefen. Ich habe es immer als meine Aufgabe als Schulleiter angesehen, das Kollegium vom Trubel fernzuhalten. In Corona-Zeiten haben wir alle erfahren, dass ein Stück Kreide und eine Tafel nicht mehr reichen. Das Digitale Lernen hat jeden vor große Herausforderungen gestellt. Da darf Schule den „Zug“ nicht verpassen. Die Aktualisierung von Software wird im Rahmen des Digitalpaktes eine finanzielle Herausforderung. Da verabschiede ich mich auch mit einer kleinen Träne im Knopfloch: Jetzt geht es eigentlich mit der Digitalisierung erst richtig los. Da wäre ich als medienaffiner Mensch gerne noch dabei gewesen!
Wie sieht für Sie der „ideale“ Schüler aus?
Kalvelage: Den Begriff eines idealen Schülers halte ich für problematisch, denn dann denke ich in Schemata. Dieses Schubladendenken habe ich nie gewollt. Eine Indianische Weisheit sagt: „Urteile nicht eher über einen Menschen, bevor du nicht drei Monde in seinen Mokassins gelaufen bist.“ Ein Schüler sollte Freude und Neugierde mitbringen, für sein Leben und nicht bloß auswendig lernen: Vormachen, Mitmachen, Nachmachen – das war schon bei der CAJ das Leitmotto. Mein Vater brachte mir bereits mit neun Jahren das Pflügen bei. Das war für mich sehr prägend: Komm‘, ich zeig‘ Dir, wie es geht!
Wie sieht die „ideale Schule“ aus?
Kalvelage: Wenn der Schule gelingt, dass Schüler den Unterricht spannend und als tolle und wertvolle Sache empfinden, ist viel erreicht. Wenn ein Schüler mir in Englisch sagt: Ich habe mit einem Engländer gesprochen und das hat geklappt – dann haben wir viel erreicht.
Würden Sie aus heutiger Sicht noch einmal Schulleiter werden wollen?
Kalvelage: Jeder Tag bringt neue Herausforderungen und ist spannend, da kommt man zwischendurch nach 23 Jahren als Schulleiter schon mal ins Nachdenken, was hast Du da gemacht. Doch die Erfolge und Rückmeldungen, wenn Schüler, Eltern oder Kollegen nach Jahren sagen: Ich habe etwas bei Ihnen gelernt, sind eine tolle Bestätigung. Ich habe Spuren hinterlassen. Ich hoffe, es sind gute.
Was werden Sie mit Ihrer neu gewonnenen Freizeit anfangen?
Kalvelage: Ich werde meine neue Freiheit genießen, keinen Termindruck mehr zu haben und morgens in Ruhe mit meiner Frau Margret frühstücken. Das Amt des Vorsitzenden des Männergesangvereins Bürgerliedertafel Dinklage erfüllt mich außerdem. Es reizt mich, noch Spanisch zu lernen. Ich möchte reisen, wenn nicht alle reisen, denn die Ferien hören für mich nicht mehr auf. Außerdem bin ich Vater von drei Söhnen und nun auch Opa von zwei Enkeln, die Zeit mit ihrem noch fitten und rüstigen Großpapa verbringen wollen.
Was ist das Erste, was Sie sich als Pensionär gönnen werden?
Kalvelage: Das wird eine Motorradtour an die Elbe ins Wendland. Das ist eine schöne Gegend. In Vorbereitung sind auch eine Motoradtour durch die USA und eine Fahrradtour um den Bodensee – dann, wenn wieder für die anderen Schule ist!
Was wünschen Sie der Oberschule Dinklage mit gymnasialem Zweig für die Zukunft?
Kalvelage: Der Schule wünsche ich viel Erfolg bei der Arbeit mit jungen Menschen und das Gefühl, dass man erfüllt ist. Ich hoffe, dass gute und tolle Ideen weiterentwickelt werden, die die Schule voranbringen und die Akzeptanz in der Dinklager Bevölkerung bestätigen. Das Gemeinschaftsgefühl, was sich gut entwickelt hat, gilt es auszubauen. Insbesondere dem Gymnasialzweig wünsche ich alles Gute.
Was wünschen Sie Ihrem Nachfolger?
Kalvelage: Natürlich den Rückhalt im Kollegium, so wie ich ihn selber immer erleben durfte, sowie des Schulträgers, der Stadt Dinklage. Ich wünsche ihm den Mut, Dinge zu hinterfragen oder zu ändern, wenn nötig, aber auch einen gehörigen Anteil an Gelassenheit, es einfach mal laufen zu lassen und für Entwicklung Zeit zu geben.
Was wünschen Sie Ihrem Kollegium und der Schülerschaft?
Kalvelage: Viel Spaß an ihrer Arbeit, um an ihrer Schule arbeiten zu wollen, Schüler, die sich geborgen fühlen, dass sie mit ihrer Schulleitung reden und gemeinsam an einem Strang ziehen!
Von Jan Röttgers