17.12.2021

Wenn das Sterben Teil des Lebens wird

„Der Tod gehört zum Leben!“ – über ihre Trauerbegleitung informieren Inge Hengemühle (re.) und Maria Kurre Schülerinnen und Schüler der Oberschule Dinklage im gymnasialen Zweig. Foto: Röttgers

Inge Hengemüller und Maria Kurre informieren über Hospiz

Dinklage (jarö) – „Der Tod ist ein Thema für die Öffentlichkeit!“ Diese These vertritt Inge Hengemühle ganz deutlich. Die aus Löningen stammende gelernte Krankenschwester ist Palliativfachkraft. Sie begleitet Menschen an ihrem Lebensende und versorgt sie. Die Koordinatorin im ambulanten Hospizdienst der St. Anna Stiftung in Dinklage berichtet Schülerinnen und Schülern der Klasse 9 im gymnasialen Zweig über ihre Arbeit. Zusammen mit ihrer ehrenamtlichen Helferin Maria Kurre aus Bakum spricht sie im Religionsunterricht von Lehrerin Corinna von Häfen ganz offen über das Sterben und den Tod. „Die Engländerin Cicely Saunders gilt als Begründerin der modernen Hospizbewegung“, erklärt Hengemühle den wissbegierigen Schülern. Die Sozialarbeiterin, Krankenschwester und spätere Ärztin habe erkannt, dass „schwerkranke Menschen am Ende ihres Lebens eine besondere Zuwendung“ benötigten, so dass sie im Jahre 1967 mit dem „St. Christopher's Hospice“ in London das weltweit erste Hospiz begründet hatte. „Hospiz“ lässt sich vom Lateinischen „hospitare“ ableiten“, so Hengemühle in ihrem Vortrag an die Schüler weiter, was sich mit „als Gast einkehren“ und „beherbergen“ übersetzen lasse. „Das passe ganz gut ins Bild, da wir zum einen „nur Gast auf Erden“ sind und der Hospizdienst „Begleitung“ sein möchte“, gibt Hengemühle Einblicke in einen komplexen Sachverhalt. Darüber hinaus gelte die US-amerikanisch-schweizerische Psychiaterin und Geistheilerin Elisabeth Kübler-Ross als Vorreiterin in der Hospizbewegung. Sie habe sich mit dem Tod und dem Umgang mit Sterbenden, mit Trauer und Trauerarbeit sowie mit Nahtoderfahrungen befasst und sei eine der Begründerinnen der modernen Sterbeforschung. „Der Tod kann ganz früh im Leben kommen“, schreibt Kübler-Ross an ein sterbendes Kind. „Wir werden auch zusammen sein mit allen Menschen, die wir lieben“, gibt die Geistheilerin Hoffnung. „Dort sind wir von mehr Liebe umgeben, als wir uns je vorstellen können!“, vermittelt die Gläubige.

In Niedersachsen sicherten derzeit 28 stationäre Hospize – davon zwei Kinder- und Jugendhospize – mit insgesamt 267 Plätzen sowie 130 ambulante Hospizdienste mit über 4000 ehrenamtlich Tätigen die Betreuung Sterbender. Ergänzt werde das Angebot von 50 Anbietern der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) sowie 320 Palliativbetten in niedersächsischen Krankenhäusern. Zum stationären Team des Hospizdienstes St. Anna gehörten insgesamt 34 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer, darunter 21 im ambulanten Stab. „Sie begleiten schwerstkranke und sterbende Menschen und unterstützen die Angehörigen in der Zeit des Abschiednehmens sowie auch bei der Trauerbewältigung“, so Hengemühle, die selber bereits vor vielen Jahren ihren Mann verloren habe und so zum Hospiz gekommen sei. Die Begleitung finde durch haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter statt, die ausgebildet seien, schwerstkranke und sterbende Menschen auf ihrem letzten Lebensweg würdevoll zu begleiten. „Dabei stehen stets die Wünsche und Bedürfnisse des hilfesuchenden Menschen und seiner An- und Zugehörigen im Vordergrund“, betont Kurre, „damit Menschen nicht alleine sind!“ Für viele Menschen sei es ein Wunsch, daheim sterben zu können, informiert Trauerbegleiterin Hengemühle weiter. „Dieser Wunsch erfüllt sich nur für 20 Prozent der Menschen, da fast die Hälfte aller Menschen in Krankenhäusern sterben“, informiert die Koordinatorin im ambulanten Hospizdienst weiter. Sie steht der Schülerschaft auch Rede und Antwort zu diesem schwierigen Thema, über das viele Menschen nicht gerne sprechen oder am liebsten sogar verschweigen wollen. Angehörige seien oft auch unsicher, wie sie über ihre Ängste sprechen sollten. „Ganz wichtig ist, über den Tod offen zu reden, denn er ist Teil unseres Lebens!“, vertritt Hengemühle ganz bewusst. „Wir müssen auch Tränen zulassen können. Gefühle sind erlaubt!“, betont die Expertin. Trauerbewältigung habe schließlich viele Gesichter: Ob Tränen fließen oder Gedichte verfasst werden, Malen, Gartenarbeit, Sprechen oder Sport – Hauptsache sei, die Gefühle zuzulassen und zu verarbeiten, erklärt die seelsorgerische Begleiterin. „Wir wollen gut begleiten, wenn das Leben zu Ende geht“, so Hengemühle und Kurre unisono. Sie selbst stehen dabei in ständigem Austausch zueinander, sprechen in der Gruppe und erleben Supervision. Unsere Schule führt eine offizielle Kooperation mit der Stiftung St. Anna.